Deutscher Gewerkschaftsbund

18.05.2015
Landreis Nordsachen

Peter Hettlich (DIE LINKE & B.90/DIE GRÜNEN)

Portrait Peter Hettlich

Peter Hettlich

Peter Hettlich

- geboren 1959 in Köln, verheiratet, 4 Kinder (2 bis 8 Jahre) Diplom-Agraringenieur Projektsteuerer und Bauleiter
- von 2002 bis 2009 Mitglied des Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen – LV Sachsen
- Landratskandidat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE

Beruflicher Werdegang

- 1981-1983 Landwirtschaftliche Lehre
- 1983-1990 Aufbau eines landwirtschaftlichen Betriebes in der Eifel
- 1983-1990 Studium der Agrarwissenschaften in Bonn
- Ab 1985 Mitarbeit in diversen Architekturbüros, ab 1988 Büroleiter
- Ab 1990 Büroleiter in Dresden, ab 1991 in Leipzig, Qualifizierung zum Projektsteuerer
- 1993 bis heute Selbständigkeit als Projektsteuerer, Bauleiter und Bauberater – Ingenieurbüro Hettlich Consult

 

Politischer Werdegang

- Ab 1998 Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen
- 2000-2008 Sprecher des Kreisverbandes Torgau-Oschatz
- 2002-2009 Mitglied des Bundestages
- 2005-2009 Sprecher für Baupolitik
- 2005-2009 Stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses
- 2010-2012 Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt
- 2012 bis heute Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Ökologie Bündnis 90/Die Grünen – LV Sachsen u.v.m.

http://www.peterhettlich.de/

 


Fragen an die Kandidaten zur Landratswahl 2015
Landkreis Nordsachsen

 

1. Was hat Sie bewogen für das Amt des Landrats zu kandidieren? Was ist Ihre Motivation?

Am 22.06.2008 wurde Michael Czupalla mit lediglich 45,7% in der Stichwahl zum Landrat von Nordsachsen gewählt, weil sich die SPD nicht zu einer Unterstützung des linken Kandidaten Thomas Kind durchringen konnte und ihre Kandidatin Dr. Liane Deicke in die (aussichtslose) Stichwahl schickte. Eine große Chance auf einen Politikwechsel wurde damit vertan. Von verschiedenen Seiten wurde ich schon vor längerer Zeit (Jahren) angefragt, ob ich mir 2015 eine Kandidatur als gemeinsamer Kandidat von SPD, Linken und Grünen vorstellen könnte. Ich hatte mich zwar 2009 aus dem Bundestag und damit aus der „großen“ Politik zurückgezogen, aber mir lag und liegt meine alte Wahlheimat Nordsachsen noch immer sehr am Herzen. Daher war ich bereit, meinen Hut in den Ring zu werfen.

Letztlich ist es zu einem Bündnis zwischen Linken und Grünen gekommen, da die SPD mit Lars Menzel einen eigenen, honorigen Kandidaten aufgestellt hat. Aber ich stehe zu meinem einmal gegebenen Wort und daher auch voll und ganz hinter meiner Kandidatur. Es ist das Grundprinzip einer Wahl, dass Bürgerinnen und Bürger zwischen mehreren Kandidaten wählen können. Die Frage nach meinem Wahlerfolg ist für mich in diesem Zusammenhang absolut zweitrangig. Ich hoffe jedoch – falls es uns gelingt, die CDU in die Stichwahl am 28.06. zu zwingen – dass es keine Wiederholung des Falls 2008 gibt. Wenn ich als Dritter aus dem ersten Wahlgang hervorgehe, dann werde ich definitiv zugunsten des Zweiten auf eine Stichwahl verzichten. Ich erwarte dies allerdings auch umgekehrt, falls ich als Zweiter durchs Ziel gehe..

Ich will, dass sich nach 25 Jahren CDU-Alleinherrschaft endlich etwas in diesem Landkreis ändert. Ich bringe eine Menge politischer Erfahrung mit, dazu 30 Jahre Berufserfahrung und 56 Jahre Lebenserfahrung. Ich habe noch viel Spannkraft und Engagement aber auch die notwendige Gelassenheit, um in den nächsten 7 Jahren die Geschicke dieses Landkreises zum Wohle seiner Menschen zu leiten. Ich bin mir sicher, daß ich als Landrat eine gute Wahl für Nordsachsen bin, denn ich bin ein Kämpfer in der Sache aber umgänglich mit den politischen Akteuren und offen und ehrlich im Umgang mit unseren Bürgerinnen und Bürgern.

 

2. Was wollen Sie im Landkreis in Bezug auf die Ansiedlung von Unternehmen bewegen?

25 Jahre lang haben die verschiedenen Landräte versucht, Unternehmen mit Fördermitteln in unseren Landkreis zu locken. Die Erfolge waren ausgesprochen bescheiden, viele „Ansiedlungen“ verschwanden, kurz nachdem die Bindefristen für die ausgereichten Fördermittel abgelaufen waren. Im selben Zeitraum gingen eine ganze Menge heimischer Firmen „den Bach runter“, weil sie zu klein oder zuwenig zukunftsträchtig erschienen. Die überwiegenden Arbeitsplätze in Nordsachsen finden sich jedoch nach wie vor in den klein- und mittelständischen Unternehmen mit 1 bis 10 Mitarbeitern. Daher werde ich mich als Landrat zuvorderst um den Erhalt und die Stärkung dieser Unternehmen kümmern.  Ich werde nicht „Ansiedlungs-Phantomen“ nachjagen, sondern eine Wirtschaftspolitik aus einem Guß machen, die einheimische Betriebe und ehrliche Ansiedlungswillige gleichberechtigt behandelt. Im übrigen werden mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II die Fördertöpfe noch deutlicher zusammenschrumpfen. Wir werden also Unternehmen nicht mit mehr Steuergeldern sondern nur mit attraktiven Standortbedingungen halten bzw. anlocken können.

 

3. Welche Projekte in der öffentlichen Daseinsführsorge stehen aus Ihrer Sicht im Landkreis an? Wo muss dringend investiert werden?

Unsere Dauer-Haushaltsschieflage führt dazu, daß wir anstatt 3-4% nur 1-2% in den Erhalt unserer Öffentlichen Infrastruktur stecken. Damit betreibt der Landkreis Substanzverzehr im großen Stil, egal ob es sich dabei um Straßen, Schulen oder andere Infrastruktureinrichtungen handelt. Das heißt, daß wir überall dringend investieren müssen, es aber nicht können, weil wir dafür kein Geld haben. Ein ebenso großes Problem haben wir aber auch bei der schlechten Finanzausstattung z.B. der kreiseigenen Bildungseinrichtungen und in der Erfüllung unserer freiwilligen Leistungen. Auch wenn es sich dabei nicht um Investitionen im eigentlichen Sinne handelt, es sind gerade diese Investitionen in die klugen Köpfe, die unsere Region braucht, um lebens- und liebenswert zu bleiben. Denn für mich gilt noch immer der Hauptsatz: „Bildung vor Beton“.

 

4. Welche politischen Ansätze sind notwendig, um den Industrie-, Agrar- und Kulturstandort zu stärken.

Es gibt den Industriestandort Nordsachsen nicht mehr, auch das ist ein „Erfolg“ von 25 Jahren CDU-Landräten. Die wenigen Industrieansiedlungen in unserem Landkreis liegen in direkter Nachbarschaft bzw. auf dem Gebiet der Großstadt Leipzig, und daran wird sich auch nichts mehr ändern lassen. Viel wichtiger ist mir daher die Stärkung des mittelständischen Wirtschaftsstandortes Nordsachsen. Als gelernter Bauer und Agraringenieur liegt mir das Wohl der Landwirtschaft besonders am Herzen, ich sehe große Potentiale im Ausbau der ökologischen Landwirtschaft aber auch in der Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe z.B. im Lebensmittel verarbeitenden Gewerbe. Nordsachsen hat darüber hinaus ein großes Potential als Kultur- und Tourismusregion, in die ich viel Energie investieren und diese stärken und ausbauen will. Hier sind in den vergangenen Jahren viele Weichen falsch gestellt worden, denn diese Wirtschaftszweige sind keine „weichen“ sondern „harte“ Standortfaktoren.

 

5. Wie werden Sie im Landkreis für eine Willkommenskultur werben? Welche Maßnahmen zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden planen Sie?

Flüchtlinge und Asylbewerber brauchen unseren Schutz und unsere Solidarität. Wir werden sie als unsere Gäste auf Zeit würdig behandeln. Ich strebe eine dezentrale Unterbringung an, die Unterkünfte sollen nach den Standards des sächsischen Ausländerbeauftragten kontrolliert werden. Ich werde mich für eine unbürokratische Gesundheitsversorgung nach dem Beispiel des „Bremer Modells“  einsetzen.Ich werde mit den Bürgermeistern eine offensive Informationspolitik betreiben und mich für soziale Betreuung, Treffmöglichkeiten und Sprachlernangebote einsetzen. Die Eingliederungsmöglichkeiten für Kinder in Kindertagesstätten, Schulen und Sportvereinen und der Spracherwerb müssen verbessert werden. Die Angebote des Bildungs- und Teilhabepakets werden umgehend zur Verfügung gestellt. Dies alles stellt sowohl den Landkreis als auch unsere Kommunen vor große Herausforderungen. Ich fordere daher eine vollständige Kostendeckung durch die Staatsregierung nach dem Vorbild von Sachsen-Anhalt.

 

6. Und zu guter Letzt interessiert und als Gewerkschaften natürlich noch: Was ist für Sie „Gute Arbeit“?

  • Wie beurteilen Sie die Ausprägung von Leiharbeitsverhältnissen und prekärer Beschäftigung im Landkreis?

Es ist mir schleierhaft, wie man einerseits über den drohenden Fachkräftemangel jammern kann, andererseits als Unternehmer nicht bereit ist, genau diese Fachkräfte mittel- und langfristig an sich zu binden. Ich kenne leider keine genauen Zahlen über die Leiharbeitsverhältnisse in Nordsachsen, aber ich kann nur sagen, daß jeder Leiharbeiter ein Leiharbeiter zu viel ist. Fachkräfte können Unternehmen nur an sich binden, wenn sie ihnen gute Arbeit für gute Bezahlung und zu guten Arbeitsbedingungen (und nicht in Leiharbeitsverhältnissen) bieten.

  • Wie sehen Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Unternehmen im Landkreis?

Ich sehe die Rahmenbedingungen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, seitens der Infrastruktur der Kommunen und des Landkreises (Kindertagesstätten, Horte) durchaus positiv. Allerdings sehe ich das Problem, dass die notwendige Flexibilität bezüglich Arbeitszeiten oder Arbeitszeitmodellen bei den Unternehmen zu wenig vorhanden ist. Das hat auch etwas mit der bereits beschriebenen Größenstruktur unserer Unternehmen zu tun. Kleine Unternehmen sind halt nicht so flexibel wie große Unternehmen. Auch hier setze ich zunächst auf die Vorbildfunktion des Landkreises als Arbeitgeber und die Einsicht der Unternehmen, dass sie ansonsten beim Wettbewerb um die guten Köpfe das Nachsehen haben werden.

  • Wie beurteilen Sie die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns im Landkreis? Sehen Sie Möglichkeiten Lohndumping im Landkreis zu verhindern?

Die Einführung des Mindestlohns war ein erster Schritt in die richtige Richtung, er greift aber nur dann, wenn es sich auch um Vollzeitstellen handelt. Aber genau hier liegt das Problem auch in unserem Landkreis. Ich habe als Landrat wenige direkte Einflußmöglichkeiten aber ich werde dafür sorgen, daß der Landkreis als Arbeitgeber auch in den kreiseigenen Betrieben mit leuchtendem Beispiel vorangeht. Und hier haben wir erst einmal sehr viele Hausaufgaben vor der eigenen Türe zu erledigen.


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